von Marc Merten
Zeitreisende. Die Gentlemen tragen Schiebermützen, braune oder graue Bundfaltenhosen und bis zu den Knien hochgezogene Strümpfe in Rautenmustern, dazu Tweedjackets und gemusterte Fliegen. Die Ladies tragen lange, weite Röcke, Blusen, Pullunder und natürlich Hüte im viktorianischen Stil aller Größen und Couleur. Sie tragen ihre Leinen- oder Lederbags über den Schultern. Und die Schläger haben die Namen Eisen und Holz noch verdient. Vor allem Holz. Das walnussartige Holz des Hickory-Baumes, aus dem klassisch und ursprünglich die Schäfte der Golfschlägergefertigt wurden. Wir mögen das 21. Jahrhundert zählen. Doch für die Herren und Damen des Hickory-Golfsports schlägt noch immer die Stunde der 1930er Jahre. Oder gerne auch früher. Je früher, desto besser. Desto ursprünglicher.VonSchlägern aus Graphit will hier niemand etwas wissen. Der Kleidung aus synthetischen Fasern, atmungsaktiv und schmutzresistent, kann hier niemand etwas abgewinnen. Auch wenn es warm ist und der Schweiß fließt, behalten die Herren ihre Jackets an. Das gehört sich so für einen Gentleman. Altmodisch und streng mögen es die Einen nennen. Doch ein echter Hickory Golfer nennt es stilvoll und ehrenhaft.
Immer mehr Golfer kehren zu den Wurzeln ihres Sports zurück. Sie greifen zum alten Eisen, suchen neue Herausforderungen auf den 18 Loch, auf denen die Schläger der neuesten Generation immer mehr Fehler verzeihen und selbst mitunter missratene Schläge noch anständig fliegen lassen. Beim Hickory Golf ist der Spieler jedoch wieder ganz sich selbst überlassen. Die kleinen Trefferflächen am Schlägerkopf verzeihen nicht die kleinste Ungenauigkeit. Das biegsame Holz des Schafts erfordert ein ruhigeres, fast schon zärtlich sanftes Schwingen des Schlägers. Andernfalls entfernt sich der Golfball in eine Richtung, die der Spieler für gänzlich unmöglich gehalten hatte.
Gespielt wird übrigens mit den „Guttys“, den Bällen aus dem kautschukähnlichen Saft des Guttaperchabaumes, während die handgearbeiteten Schläger nur an drei Orten in der Welt originalgetreu hergestellt werden: Louisville, Tad Moore und St. Andrews sind die drei einzigen Manufakturen, deren Replikate von der Society of Hickory Golfers anerkannt werden. Originale, so die Gesellschaft, seien nur noch schwer zu finden. Dafür müsse man auf die Jagd gehen: in Knickerbockers und Schiebermütze, so wie Sherlock Holmes vor über 100 Jahren.
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